2.         Jamboree-On-The-Air (JOTA)  -  noch nie gehört?

 

Der Begriff „Jamboree“ dürfte in Pfadfinderkreisen geläufig sein. Leider kann an diesen unter der Federführung des „World Organisation of the Scout Movement (WOSM)“ alle vier Jahre stattfindenden Pfadfindertreffen, (in der Regel) nur teilnehmen, wer in ein bestimmtes Altersraster fällt. Außerdem stellen hohe Teilnehmerkosten (besonders für die Pfadfinder aus der Dritten Welt) und u.U. umständliche Anreisen zusätzliche Hindernisse dar, die so manchen möglichen Teilnehmer abschrecken. 

 

 

 

2.1       Eine Idee wird geboren

 

1957 wurde in Sutton-Park in Zentralengland zum ersten Mal während eines World-Jamboree eine Funkstation durch örtliche Funkamateure errichtet und betrieben. Während des 12tägigen Lagers konnten mehr als 60 Stationsoperateure mit 1.712 Funkstationen aus 71 Ländern in Kontakt treten. Les Mitchell, Pfadfinder und einer der Funkaktivisten, war dabei sehr über die Anzahl an Pfadfinderfunkstationen aus Übersee erstaunt. Etwas traurig darüber, am Ende des Jamboree wieder auseinander gehen zu müssen, wollte man untereinander mittels Amateurfunk in Kontakt bleiben. Daraus formte sich die Idee zu einem festen Termin im Jahr, und Les Mitchell wurde mit der Durchführung betraut.

 

Das erste „Jamboree-On-The-Air“ fand 1958 mit rund 5.000 Teilnehmern aus 13 Ländern statt. Am 40. JOTA 1997 beteiligten sich weltweit über 566.000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus 110 Ländern, die von fast 21.000 Funkamateuren an mehr als 10.300 Funkstationen unterstützt wurden.  Welch eine Entwicklung!

 

Ein JOTA findet immer wieder im gleichen Zeitraum statt:

 

Jedes dritte vollständige (!) Wochenende im Oktober eines Jahres,

beginnend 00.01 Uhr am Samstag und endend um 23.59 Uhr am Sonntag

 

Übrigens: Seit 1957 wird jedes World-Jamboree durch eine Amateurfunkstation begleitet, die von Pfadfindern mit Amateurfunklizenz betrieben wird.

 

 

 

2.2       Technische Voraussetzungen

 

Für die Teilnahme an einem JOTA bedarf es des Einsatzes von Funkamateuren. Sie besitzen die Genehmigung, die Ausrüstung und das technische Wissen, um eine Funkstation erfolgreich betreiben zu können. Neben der eigentlichen Funkstation benötigt man natürlich eine Antenne.

 

Funkamateure sind – ähnlich wie unsere Pfadfindergruppen und Stämme – regional in sog. Ortsverbänden organisiert, die sich regelmäßig mindestens 1-mal im Monat persönlich treffen. Manche Ortsverbände verfügen darüber hinaus über zusätzliche technische Gerätschaften (Antennen, Antennenmasten mit Abspannungen, Fuchspeiler, Stromaggregate, etc.), die für Veranstaltungen wie das JOTA über den verantwortlichen Funkamateur ausleihbar sind.

 

Bei Kurzwellenantennen handelt es sich oft um Drahtantennen (Dipol oder Windom), die eine Länge von 40m und mehr haben können (bei einem Dipol muss der Draht mindestens ½-mal so lang wie die benutzte Wellenlänge sein: Drahtlänge 40m = 80m-Band {3,6MHz}). Eine einfache Drahtantenne kann man kostengünstig sogar selber herstellen. Sie hat kein hohes Gewicht und lässt sich in kurzer Zeit leicht und schnell zwischen zwei hohen, weit auseinander stehenden Punkten aufhängen (Bäume, Gebäude, Türme, Hilfsmasten, etc.).

 

Zum Betrieb einer Funkstation wird eine Stromversorgung benötigt. Neben der klassischen 220V (eigentlich 230V) Wechselspannung aus der Steckdose lassen sich die heutigen Funkgeräte auch mit 12V-Gleichspannung (wie beim Auto) betreiben. Mit einem Stromaggregat oder z.B. Sonnenkollektoren bzw. anderen Ladegeräten in Verbindung mit Batterien (Akkumulatoren) ist man damit nicht mehr ortsgebunden und kann somit auch von einem abseits liegenden Zeltlager aus auf Sendung gehen.

 

 

 

2.3       Aufgaben der Pfadfinder

 

Formal gesehen liegen die Verwaltung und Freigabe der Funkdienste in der Hoheit der entsprechenden Regierungen. Sie legen fest, unter welchen Voraussetzungen eine Funkanlage errichtet, d.h. aufgestellt und betrieben werden darf. In einigen Ländern ist es den Pfadfindern erlaubt, während des JOTA-Wochenendes die Funkgespräche selbständig tätigen zu dürfen. In Deutschland gibt es seit 1993 eine Sprecherlaubnis für „Grußbotschaften“, d.h. der Funkamateur, der die Verantwortung über die ordnungsgemäße Abwicklung des Funkverkehrs hat, eröffnet und beendet das Funkgespräch mit einer anderen Pfadfinderstation. Während des Gespräches ist es dann statthaft, das Mikrofon zur Vorstellung bzw. für Fragen an einen nichtlizensierten Pfadfinder weiterzureichen.

 

Daraus folgt, dass sich die am JOTA teilnehmende Gruppe schon im Vorfeld Gedanken machen muss, wie sie sich präsentieren möchte. Informationen sammeln über die Herkunft des Gruppennamens, die eigene Stammesgeschichte, besondere Gruppenaktivitäten, die letzten bzw. kommenden Sommerfahrten etc. sind wichtig, geben sie doch wie eine Visitenkarte Auskunft über die sich vorstellende Gruppe. Nicht jeder am JOTA teilnehmende Pfadfinder wird Deutsch sprechen oder verstehen. Kann der Gesprächspartner in seiner Landessprache (Englisch, Französisch, etc.) angesprochen werden? Für welche Uhrzeit wollen wir mit einer von früher bekannten Gruppe eine Funkverabredung treffen?

 

Weitere funknahe Aktivitäten für die Pfadfinder können sein: Landkarte zeichnen und alle kontaktierten Funkstationen eintragen; jede Funkstation nach dem örtlichen Wetter fragen und eine  Welt-/Europa-Wetterkarte erstellen; das Logbuch mit allen notwendigen Funkdaten führen; an einer zweiten Funk-Empfangsstation nach weiteren Pfadfindergruppen suchen; ein Schatzsuchspiel mittels Amateurfunkpeilen veranstalten; usw.

 

Das rechtzeitige Zugehen auf den Funkamateur und sein Einbinden in die Vorplanungen sind wichtig für ein gutes Gelingen: An welchem Ort soll die Funkstation errichtet werden, welche Funktechniken können wir anwenden, Zeitraum und Dauer der Teilnahme klären, Beiprogramm entwerfen, Essenplan und evtl. Übernachtungsmöglichkeit festlegen, usw. sind nur einige Fragen, die auf ein Vorbereitungsteam bzw. Gruppenleitung zukommen werden.

 

 

 

2.4       Eine besondere Spezies: Radio-Scout

 

Vor dem Hintergrund der hohen Anzahl an einem JOTA teilnehmender Pfadfinder ergibt sich – fast zwangsläufig – eine weitere Frage: Sind unter den Pfadfindern auch Interessierte, die sich für das Funken und deren Technik über ein Veranstaltungswochenende im Jahr hinaus begeistern? Und wenn ja: was machen die den Rest des Jahres, wie können sie angesprochen und angesprochen werden?

 

Tatsächlich gibt es eine Reihe von Pfadfindern, die ein eigenes Amateurfunk-Rufzeichen haben. Viele von ihnen jedoch haben ihr Hobby nicht mit der Pfadfinderarbeit verbunden, manche kennen nicht die nationale JOTA-Organisation, und einige mögen nicht in dieser Form in Erscheinung treten, vielleicht aufgrund fehlender technischer Ausrüstung, anderer Interessenlage, oder weil sie der Pfadfinderarbeit entwachsen sind.

 

Ein Beispiel: Etwa 200 Radio-Scouts innerhalb des Ringes deutscher Pfadfinderverbände (RdP) haben sich registrieren lassen. Funkkontakte mit sechs von ihnen sind notwendig für das Erlangen einer Auszeichnung (Diplom), des GERMAN-SCOUT-AWARD (GSA). Das Diplom wird von der DPSG herausgegeben. Das Diplom gibt es seit 1974 und wurde bis heute nur etwa 420-mal vergeben, davon allein ca. 100-mal in den letzten fünf Jahren. Nur wenige dieser Radio-Scouts sind überhaupt während eines JOTA-Wochenendes zu hören, ein kleiner Kreis von ca. 10-15 Pfadfindern im VCP ist das Jahr über auf dem Pfadfindersektor funkaktiv.

 

Um die Unternehmung JOTA noch besser in die Gruppen zu bringen, ist aber gerade die Mitarbeit der Radio-Scouts wichtig und notwendig. Jede Arbeit kann nur funktionieren, wenn sie auf möglichst breite Schultern verteilt ist, wenn Jung und Alt gleichermaßen beteiligt sind. Radio-Scouts sind die Zukunft des JOTA und des dazugehörigen Umfeldes, des Radio-Scouting!

 

 

 

2.5       Und warum den Aufwand?

 

Wie bei anderen großen Veranstaltungen mit internationaler Ausrichtung, lassen sich für die Pfadfinder auch mit dem JOTA mehrere Ziele erreichen:

 

Internationalität und weltweites Pfadfindertum erleben

Kontakte mit anderen herbeiführen und pflegen

Auseinandersetzung mit der Technik

Learning-By-Doing

Spiel und Spaß

 

Das JOTA ist an keiner Staatsgrenze zu stoppen. Nur kurze Zeit an den Lautsprechern der Kurzwellenfunkgeräte gelauscht oder sich das Monitorbild der im World-Convers eingeloggten Stationen des Packet-Radio-Netzes angesehen, legen schon Zeugnis darüber ab, wie international es hier zugeht. Nach spätestens 24 Stunden (sicherlich schon weitaus früher) hat man in großer Zahl Funkstationen aus allen Kontinenten registriert. Es ist schon ein unbeschreibliches Gefühl, sich via Computerfunk (Packet-Radio) gleichzeitig mit Pfadfindern aus Australien, Venezuela, den USA, England und der Schweiz zu unterhalten oder einen japanischen Pfadfinder über Kurzwellensprechfunk von seinen Aktivitäten auf Zeltlagern berichten zu hören. Eine Gruppe aus Sydney schrieb uns einmal auf unseren Monitorbildschirm via Packet-Radio, dass wir leider im Moment keine Sprechfunkverbindung aufnehmen könnten. Sie wären die einzigen, die noch wach wären, denn ihre Kurzwellen-Funkamateure würden alle gerade in den Schlafsäcken liegen  (es war 03:45 Uhr Ortszeit)!

 

Europa mit seiner hohen Bevölkerungsdichte und der geographischen Nähe wird dabei sicherlich in der Anzahl der Stationskontakte an erster Stelle stehen. Besonders aktiv sind dabei immer wieder Pfadfinder-Funkstationen aus den Niederlanden und Großbritannien, gefolgt von Italien, Spanien und Portugal. Mit der räumlichen Nähe der europäischen Funkstationen erwächst auch eine weitere Möglichkeit der besseren Verständigung und des einander Kennen lernen: Intensive Kontakte über das JOTA hinaus durch gemeinsame Fahrt- und Lagererlebnisse. Warum nicht mit der Gruppe „am anderen Ende“ ein gemeinsames Sommerlager durchführen? Zumindest aber kann sie mit Sicherheit bessere Informationen und Insiderwissen über ihr Land vermitteln als jeder Hochglanzprospekt. Um eine engere Bindung an eine Gruppe aufzubauen und aufrechterhalten zu können, ist weitergehende Aktivität der eigenen Pfadfindergruppe und Gruppenleitung gefragt. Das Jamboree-On-The-Air kann nur die Initialzündung für einen Beginn dazu sein.  

 

Das JOTA deckt einen weiteren Bereich für die teilnehmenden Pfadfinder ab: Technisch Interessierten können die Gesetzmäßigkeiten der Elektrotechnik (Ohmsches Gesetz, Wellenlänge, Richtcharakteristik von Antennen, Ausbreitungsbedingungen, etc.) auch praktisch vermittelt werden. In unserer heutigen Zeit gehört die Auseinandersetzung mit der  Technik (1. Gedanke: der eigene Homecomputer, besser als PC bekannt) zum täglichen Leben, ob wir wollen oder nicht. In der Schule müssen wir lernen, hier dürfen und können wir es, ohne einem Leistungs- und Erfolgsdruck zu unterliegen. Wenn man bisher nicht wusste, wieso die Musik aus einem Radiolautsprecher kommt – hier können wir nach Antworten forschen. Über eines sollte man sich klar werden: Die Zeiten des in der Natur aufgehenden, verträumten  Waldschrates sind lange vorbei! Der heutige, europäische Pfadfinder lebt in einer Industriewelt mit all ihren Vor- und Nachteilen. Um kritisch mit ihr umgehen zu können, muss man sich ein bestimmtes Wissen aneignen. Der technische Aspekt des JOTA gibt den Pfadfindern dazu die Gelegenheit.

 

Praxis ist eine Methode, Abläufe kennen zu lernen und besser zu verstehen. Auch ein Laie kann sich so weiterbilden. Baden-Powell formte das Learning-By-Doing, das Lernen durch das eigene Handeln! Auch ohne die genauen theoretischen Vorkenntnisse lassen sich technische Vorgänge durch praktisches Tun umsetzen und leichter verstehen. Während eines JOTA’s haben die Gruppen die Möglichkeit, kleine, nachbausichere elektronische Schaltungen zu realisieren. Mit einfachen Mitteln entstehen aus diesen Bastelkits z.B. Mittelwellen-Radios ohne eigene Stromversorgung (Detektorempfänger), Morsepiepser, kleine Wechselsprechanlagen oder Blinkies. Für das JOTA produziert z.B. Scouting Nederland für seine Gruppen jedes Jahr über 3000 Basteltütchen, jedes bestückt mit einer Platine, allen elektronischen Bauteilen und einer einfach verständlichen Bauanleitung. Das notwendige technische Geschick für die Benutzung eines Lötkolbens lernt sich schnell.

 

Ein JOTA-Wochenende darf keinesfalls nur aus reinem Funk- und Computerbetrieb bestehen. Nur wenigen Gruppen gelingt es so, das Interesse der Teilnehmenden mehrere Jahre zu konservieren. Schon im alten Rom wurde das „panem et circenses“ (Brot und Spiele) gepflegt. Zu den Aktivposten zählen - neben der Mithilfe beim Auf- und Abbau der Antennen und Geräte - Bewegungsspiele, Fuchs- oder Schnitzeljagd. Ein Geländespiel im näheren Umkreis lässt sich leicht mit CB-Funkgeräten organisieren. Natürlich müssen die eingesetzten Geräte auf der gleichen Frequenz (Kanal) arbeiten können, damit man einander verstehen kann. Es sollte aber auch darauf geachtet werden, dass die Leitstation einen hohen Antennenstandort hat (Kirchturm, Hochhaus), um von jedem Teilnehmer auch dann gehört zu werden, wenn dieser „verloren gegangen“ ist und „wieder eingefangen“ werden muss.